Glücksradtour 6

Bruch- & Bergeland (Herne, Recklinghausen)

Wer kennt das Emschertal? Bei dieser Frage zögern selbst diejenigen, die lange in der Region leben. Mit anderen Flusstälern verglichen, ist die leicht abfallende Senke zwischen Vest im Norden und Castroper Höhe im Süden auch eher unscheinbar. Hinzu kommen die starken menschlichen Einflüsse auf die Landschaft, allen voran hohe Bergehalden und tiefe Bergsenkungen. Da ist der Überblick oft schwierig, erst recht in Herne, der am dichtesten besiedelten Stadt NRWs.
Man merkt es: Die Emscher-Region hat in den letzten 200 Jahren viel erlebt. Auf dieser Tour wollen wir in diese Vergangenheit tiefer eintauchen. Mal sehen, was wir dabei zutage fördern.

Brüche gehören zum Leben, wie die Improvisation zur Kunst. Unerwartete Ereignisse und Veränderungen fordern uns heraus und können unsere inneren Stärken und Schwächen gleichermaßen zum Vorschein bringen. Das zu verstehen und unsere Denk- und Fühl-Muster zu (er)kennen, ist ein Schlüssel zu persönlichem Wachstum und einem rücksichtsvollen Umgang mit uns selbst. Gleichzeitig ist die Fähigkeit zu vergessen ein wertvoller Selbstschutz, der uns hilft, präsent zu bleiben und nach vorn zu blicken. Es ist wichtig, sich nicht zu überfordern, sondern behutsam mit der eigenen Geschichte umzugehen – in dem Tempo, das uns guttut. Vertraute Menschen oder professionelle Unterstützung können uns dabei wertvoll begleiten. Die folgenden Übungen laden dazu ein, achtsam und wohlwollend in die eigene Geschichte einzutauchen und dabei Ressourcen für einen gestärkten Umgang mit sich selbst zu entdecken.

Die neue Emscher-Promenade ist streckenweise schon befahrbar und wird weiter ausgebaut, hinzu kommen Bauarbeiten an der A43. Diese Tour weicht entsprechend aus. Über den Emscher-Radweg können zwei weitere Glücksradtouren bequem erreicht werden.

Flussabwärts: Glücksradtour 2 Flussaufwärts: Glücksradtour 3

Auf geht's zur Glücksradtour 6

Schloss Strünkede mit Emschertal-Museum

Wer tief in die vorindustrielle Geschichte der Emscher-Region eintauchen will, kann das hier tun – aber jetzt geht es erst mal auf Radtour! Infos zu Öffnungszeiten, Preisen und Veranstaltungen gibt es hier.

Silke Wagner – Glückauf. Bergarbeiterproteste im Ruhrgebiet, Ehemalige Kläranlage Herne

Für die Emscherkunst 2010 hat Künstlerin Silke Wagner dieses monumentale Wandmosaik auf einem Faulbehälter geschaffen. Zu sehen sind historische Szenen vom ersten großen Massenstreik 1889 bis hin zur politischen Entscheidung des Steinkohleausstiegs. Das soziale Klima der Bergleute hatte bedeutenden Einfluss auf die Herausbildung einer Arbeiter*innenbewegung und deren generelle Politisierung im gesamten Bundesgebiet im frühen 20. Jahrhundert. Die Arbeit von Silke Wagner ist rund um die Uhr frei zugänglich.

Emscher-Weg am Naturschutzgebiet Resser Wäldchen

Ein gerader blauer Strich in grüner Landschaft, das kann hier sowohl die Emscher als auch der Rhein-Herne-Kanal sein. Diese Nähe der beiden Gewässer ist kein Zufall: Um dem sauberen Kanalwasser für den Schiffstransport Platz zu machen, musste die Emscher vor rund 100 Jahren nach Norden ausweichen, der Kanal „übernahm“ ihr Flussbett. Solche einschneidenden Veränderungen der Landschaft wirken lange nach. Mittlerweile bekommt die Emscher so viel natürlichen Spielraum, wie es die dichte städtische Bebauung zulässt. Aber auch die Landschaft ringsum kann heute wieder vermehrt das sein, was sie in vorindustrieller Zeit war: Bruchwald, der regelmäßig „feuchte Füße“ bekommt. Ein wichtiger Beitrag sowohl für den Natur- als auch den Hochwasserschutz.

Ewaldsee im Naturschutzgebiet Emscherbruch

Ein Blick auf den See reicht und wir möchten uns in dieser tiefen Stille versenken. Im übertragenen Sinn natürlich. Also, absteigen, hinsetzen und die Sinne einfach schweifen lassen.

Glücksradtour-Übung: Achtsam innen wie außen

Die Achtsamkeit hat in den letzten Jahren eine echte Erfolgskarriere hingelegt. Gut so! Dazu trägt sicher bei, dass Achtsamkeit leicht und fast überall ausgeübt werden kann. Es reicht ein kurzer Moment der Ruhe, und wir können unsere Aufmerksamkeit auf unsere Wahrnehmung ausrichten. Gleichzeitig geht es nicht darum, uns ständig im Hier und Jetzt zu „versenken“.

Richtig gelesen: Wie bei jedem guten und wirksamen Training gilt auch für Achtsamkeit, dass sie uns mit der richtigen Dosis von Zeit und Intensität am meisten bringt. Und wir können diese auch gezielt trainieren. Einfach ausprobieren: Aus der Liste unten bestimmte Wahrnehmungen auswählen und die Aufmerksamkeit gezielt darauf richten. (Dabei wird auffallen, dass die Grenze zwischen außen und innen fließend ist.)

Tipp: Mit geschlossenen Augen fällt diese achtsame Beobachtung meist leichter.

WAHRNEHMUNGEN

Licht – Farben – Wärme und Kälte – Kribbeln – Geräusche – Spannung – Ruhe – Freude – Erregung – Nähe zu anderen Menschen – Spüren auf der Haut – Gefühl in den Armen, Händen, Beinen, Füßen – Kontakt mit dem Untergrund – Schwere – Leere – Sorge – Gelassenheit – Leichtigkeit

Auf Schlangenwegen an Bergesfüßen

Ein Sprichwort sagt: Wenn einem das Leben Zitronen gibt, macht man Limonade draus. Und wenn es zwei riesige Haufen Abraum in die Landschaft kippt? Macht man ein Naherholungsgebiet draus, wie den Landschaftspark Hoheward.

Glücksradtour-Übung: Was geschieht, während wir Pläne machen

Wie sieht es mit unserem „Lebens-Abraum“ aus? Also dem, was wir auf die Seite schieben, während wir uns scheinbar Wichtigerem widmen.

Auf die Idee, dass das Wichtigste im Leben die Umsetzung von Plänen und das Erreichen von Zielen sind, folgen schnell Angst, Ärger oder Scham angesichts des Nicht-Erreichten. Das Selbsturteil lautet schnell: Ich war zu schwach, zu faul, ich habe versagt. Aber Hand aufs Herz: Ist unser Leben nicht eine endlose Folge von nicht (ganz) geglückten Plänen? Und was kommt dann?

Gehen wir in der Erinnerung auf die Suche nach einem Ereignis im letzten Jahr oder im letzten Monat oder auch heute: Was hatten wir anders – oder auch gar nicht – geplant und was ist daraus geworden? Wie haben wir uns dabei gefühlt? Wem haben wir diese Gefühle anvertraut und wozu hat das wiederum geführt? Können wir uns unsere Schwäche, das Versagen unseres Körpers oder Willens verzeihen?

Auf diese selbst-mitfühlende Art gehen wir achtsam mit unseren eigenen schwachen Seiten um. Für eine gesunde Psyche ist es wichtig, sich selbst nicht nur im „Vorankommen“, sondern auch im „Stehenbleiben“ akzeptieren zu können. Im Leben wird es beides immer wieder geben.

Landschaftspark Streuobstwiese Holper Heide am Rhein-Herne-Kanal

So eine Grünfläche mit viel Struktur, mit Stein- und Holzhaufen, Bäumen, vielfarbigem Gras und Blüten, die im Wind wippen und Insekten und Vögel anlocken, die hat schon etwas Paradiesisches. Und wenn jetzt noch ein leckerer Apfel reif wäre …

Glücksradtour-Übung: Mal ganz ehrlich

Für einmaliges Naschen sollen manche schon aus dem Paradies geflogen sein. Eine der vielen Folgen davon war die Scham.

Unangenehme Empfindungen weisen uns darauf hin, dass wir an die Grenzen von Regeln stoßen. Das können ausdrückliche Vorschriften oder Verbote sein. Aber es können auch unausgesprochene Regeln sein. Wir tragen sie und spüren sie „in“ uns. Das kann selbst dann passieren, wenn eine Regel für uns eigentlich nicht (mehr) gilt. Den unangenehmen Gefühlen ist das egal. Sie kommen, sie sind für uns real und können uns stark beeinflussen. Um damit umgehen zu können, ist es zuerst wichtig, das Gefühl überhaupt zu erkennen.

Denken wir an eine Situation in den letzten Wochen, Tagen oder auch heute, bei der wir uns unangenehm gefühlt haben. Wie sehen wir die Sache nun: Was hat das Gefühl bei uns bewirkt? Ist es für uns ok, dass wir uns so gefühlt haben? Falls nicht, können wir verstehen, woher dieses Gefühl kommt? (Vielleicht möchten wir auch mit einem vertrauten Menschen über dieses Erlebnis und das Gefühl dabei sprechen.)

Das heißt übrigens nicht, dass Regeln nur zum Brechen da sind. Sie sind wichtig für unser Zusammenleben. Also, falls hier tatsächlich ein reifer Apfel hängt, dann nur mit Umsicht pflücken, damit auch andere Menschen oder Tiere an diesem Ort noch ihre leckere Freude haben können.

Gartenstadt-Siedlung Teutoburgia

Schon der altgriechische Philosoph Platon war überzeugt: Um körperliche und geistige Gesundheit müssen wir uns gleichermaßen kümmern. Dafür ist auch eine gesunde Lebens- und Wohnumgebung wichtig, dieser Gedanke ist auch in dem Leitbild der Gartenstadt verankert. Diesem Ideal entsprechend wurden ab 1900 viele Werkssiedlungen errichtet.

Glücksradtour-Übung: (H)Orte des Glücks

Als Schatz (altdeutsch „Hort“) bezeichnen wir vieles, was uns wichtig und teuer ist. Mit Geld hat das nicht immer zu tun, aber mit Verfügbarkeit und Zugänglichkeit. Bei Orten wird das besonders deutlich: Öffentlich zugängliche, gemeinschaftliche Orte gehören nicht uns allein, aber sie können uns viel bedeuten und vieles geben. Oft auch genau deshalb, weil wir sie zusammen mit anderen Menschen aufsuchen, wie das Lieblingscafé, den Marktplatz, den Friedhof oder das Stadion.

Achten wir einmal darauf – hier oder auch woanders, wie ein Ort auf uns wirkt: Wie gefällt er uns? Wie geht es uns hier? Was an diesem Ort mögen wir? Was tut uns hier gut? (Vielleicht ist es schwer, es in Worte zu fassen, vielleicht sind es eher Stimmungen, die wir spüren.)

Mit wem sind wir hier und wie geht es uns damit? Mit wem möchten wir gerne einmal hier sein und warum?

Falls uns der Ort guttut: Wollen wir wieder hierherkommen und wenn ja, wann? Und vielleicht mit wem?

An welchem anderen Ort, der uns gut zugänglich ist, fühlen wir uns ähnlich?

Neuer Verlauf des Ostbachs

Wer mit der „blaugrünen Brille“ durch die Region fährt, wird erstaunt sein, wie viele Bäche und Kleingewässer selbst mitten in der Stadt zu entdecken sind. Manche davon erblickten erst in jüngster Zeit wieder das Tageslicht, so auch der Ostbach. Er wurde 2023 aus einem unterirdischen Kanal in ein naturnahes Bachbett verlegt. Der Aufwand lohnt sich vielfach: Offene Fließgewässer können bei Regen mehr Wasser aufnehmen als geschlossene Kanäle, für Tiere und Pflanzen sind sie wichtiger Lebensraum und an heißen Sommertagen kühlt die Verdunstung die Luft ab. Ein Stück flussaufwärts, am Blauen Klassenzimmer der Emschergenossenschaft, können Schülerinnen und Schüler diese und weitere Bedeutungen der sogenannten blaugrünen Infrastruktur genau unter die Lupe nehmen.

Mehr Infos zur Ostbach-Renaturierung gibt es hier.