Lippeverbandsgebiet: Wasser-Detektive sind Lebewesen auf der Spur

Sylvia Mählmann bei der Probenentnahme an der Lippe. Foto: Rupert Oberhäuser/EGLV

Lippeverbandsgebiet. Niemand ist näher dran als sie: Die Hydrobiologinnen und -biologen des Lippeverbandes gehen auf Tuchfühlung mit der Lippe und ihren Nebenläufen. Sylvia Mählmann…

Lippeverbandsgebiet. Niemand ist näher dran als sie: Die Hydrobiologinnen und -biologen des Lippeverbandes gehen auf Tuchfühlung mit der Lippe und ihren Nebenläufen. Sylvia Mählmann ist eine von sieben Labormitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die biologische Gewässerproben im Lippe-Verbandsgebiet nehmen und analysieren. Hüfthoch stehen sie oft im Wasser, wenn sie sich – immer im Zweierteam und mit Schwimmwesten gesichert – zur Beprobung in Bäche und Flüsse wagen. Das Labor-Team erlebt vor Ort hautnah mit, wie sich die Wasserqualität in den letzten Jahren entwickeln hat.

Für die Hydrobiologen erstreckt sich ein riesiges Arbeitsfeld entlang der Lippe – 431 Kilometer lang, sind die Wasserläufe im Verbandsgebiet, 147 Kilometer davon macht allein die Lippe aus. Seit knapp 30 Jahren arbeitet Sylvia Mählmann im Labor: „Nicht ein Tag ist wie der andere“, sagt die ausgebildete Biologisch-Technische Assistentin. „Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit in der Hydrobiologie spielt sich draußen ab. Von März bis Oktober sind wir an mindestens drei Tagen in der Woche zur Probenentnahme an unseren Gewässern.“

Artenreichtum nach Renaturierungen

Tiere, aber auch Pflanzen werden den Fließgewässern regelmäßig entnommen, etwa um neu angesiedelte Arten nach der erfolgreichen Renaturierung eines Gewässers nachzuweisen. „Wir sind sehr gespannt, wie sich unser Programm ‚Lebendige Lippe‘, mit dem wir den Fluss in den nächsten Jahren natürlicher gestalten werden, auf die Anzahl an Lebewesen auswirkt“, sagt Sylvia Mählmann. Die Erfolge in bereits renaturierten Bereichen lassen hoffen. Bestes Beispiel ist Wesel: Hier konnten nach der 2014 abgeschlossenen Renaturierungen des Mündungsbereichs zwei Jahre später bereits rund 600 Tier- und 425 Pflanzenarten nachgewiesen werden.

Wasserproben müssen EU-weit vergleichbar sein

Doch wie funktioniert die biologische Überwachung der Gewässer? Mit einem Kescher „bewaffnet“ nehmen die Biologen je Gewässerabschnitt 20 Teilproben eines mindestens 30 Meter langen Abschnitts. Dies alles erfolgt nach einem genau festgelegten Schema, damit die Proben EU-weit vergleichbar sind – das ist Pflicht. Akribisch werten die Fachleute die Proben anschließend im Labor aus. Mit dem Binokular und Fachliteratur erfolgt die Bestimmung der Arten. Denn der ökologische Zustand eines Flusses wird hauptsächlich über die im Wasser lebenden Organismen definiert. Sie verraten den Experten, in welchem Zustand das Gewässer ist. Auch Parameter wie Temperatur, Sauerstoff und Nährstoffe fließen in die Bewertung mit ein. „Vereinfacht gesagt, schauen wir uns Plankton, Insekten, Fische, aber auch Algen an und bewerten die Zusammensetzung“, erklärt die erfahrene Biologisch-Technische Assistentin.

Ausbau der Kläranlagen hat Wasserqualität verbessert

Die Beprobungen dienen aber auch als Grundlage für Gewässergütekarten, die gemeinsam mit dem Land NRW erstellt werden – immer vor dem Hintergrund der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die bis 2027 eine „gute Qualität“ aller Gewässer in den Mitgliedsländern vorschreibt. Diese Gewässerqualität ist stark von der Reinigungsleistung der Kläranlagen abhängig, die das gereinigte Wasser wieder in die Flüsse leiten. Dank hoher Investitionen in den letzten Jahrzehnten in die Klärtechnik, können die Hydrobiologinnen und -biologen des Lippeverbandes die Erfolge nachweisen. Denn die Biologie innerhalb der Flüsse – also die dort vorhandenen Lebensgemeinschaften aus Pflanzen und Tieren – sind der beste Indikator für deren Zustand.

Serie: Bewohner des Monats

Durch das Programm „Lebendige Lippe“ soll sich der längste Fluss in NRW weiter entwickeln. So hoffen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lippeverbandes auf zahlreiche Arten, die sie bei der Probenahme entdecken. Ausgewählte Lebewesen, die etwas über die Wasserqualität verraten, stellt der Lippeverband in den nächsten Monaten in seiner Serie „Bewohner des Monats“ vor.

Hintergrund: Programm „Lebendige Lippe“

Die Lippe ist ein 220 Kilometer langer Nebenfluss des Rheins. Sie entspringt in Bad Lippspringe und mündet in Wesel in den Rhein. Auf der rund 147 Kilometer langen Strecke zwischen Lippborg und Wesel fließt die Lippe durch das Gebiet des Lippeverbandes. Hier hat das Land NRW die Unterhaltung und den Ausbau des Flusses an den Lippeverband übertragen.

Der Lippeverband übernimmt neben der allgemeinen Pflicht der Gewässerunterhaltung auch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an der Lippe. Hierzu hat der Lippeverband im Jahre 2013 das Programm „Lebendige Lippe“ für seinen Zuständigkeitsbereich aufgelegt und neben der Fortsetzung der bestehenden Projekte mehrere neue Projekte begonnen.

Das übergeordnete Ziel ist die langfristige Verbesserung und Wiederherstellung eines intakten Fluss-Auen-Ökosystems mit einer Erhaltung und Entwicklung von fluss- und auentypischen Strukturen und Lebensgemeinschaften. Für das Landesgewässer Lippe werden zu 100 % Landesmittel eingesetzt.

Europäische Wasserrahmenrichtlinie

Mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) wird nicht nur ein „guter Zustand“ für alle Gewässer in den Mitgliedsstaaten der EU bis zum Jahr 2027 gefordert. Seit Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2000 ist auch die ganzheitliche Betrachtung von Fluss-Einzugsgebieten Allgemeingut geworden. Danach ist der gesamte Fluss von der Quelle bis zur Mündung als Einheit zu sehen. Maßnahmen, die an irgendeiner Stelle des Gewässersystems zu Veränderungen führen, wirken sich auch in anderen Teilen des Einzugsgebiets aus.