Kronprinzenstraße 24 in Essen – ein Haus voller Geschichte

Die Emschergenossenschaft feiert 125-jähriges Bestehen – 114 Jahre davon ist sie im Essener Südviertel wohnhaft. Aktuell erweitert der Verband seine Hauptverwaltung um einen modernen Anbau, der das Emscher-Karree vervollständigt

Essen. Zwischen 1908 und 1910 entstand im Essener Südviertel das imposante Emscher-Haus. In den vergangenen 114 Jahren wuchs die Hauptverwaltung der Emschergenossenschaft, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen feiert, mit der Anzahl der Beschäftigten. Während die Erweiterungsanbauten dem jeweiligen Zeitgeist entsprachen, bietet die beeindruckende Architektur des Altbaus einen zeitlosen Anblick an der Ecke Kronprinzenstraße/Richard-Wagner-Straße. Heute – 114 Jahre nach Eröffnung des Verwaltungsgebäudes – entsteht auf der anderen Seite zum Bernewäldchen hin ein weiterer Anbau, der das Emscher-Karree komplettiert: Gemeinsam mit Martin Harter, Beigeordneter für Stadtplanung und Bauen bei der Stadt Essen, erfolgte nun die Grundsteinlegung – inklusive einer „Zeitkapsel“, u.a. mit einer aktuellen Tageszeitung (Essener Ausgabe der WAZ).

Entlang der Hauptansicht an der Kronprinzenstraße ist es kaum zu bemerken: Auf der Hinterseite des Grundstücks an der Ecke Am Bernewäldchen/Mozartstraße baut die Emschergenossenschaft ganz aktuell eine Erweiterung für ihre Hauptverwaltung. Entworfen vom Büro „Gerber Architekten“ entsteht ein moderner Gebäudekomplex, der Raum für flexible Arbeitsmodelle schafft. „Der Neubau soll darüber hinaus den Herausforderungen der Klimawandelfolgen – zum Beispiel Starkregen oder Dürreperioden – angepasst werden und erhält unter anderem ein Gründach, welches Wasser an nassen Tagen einspeichert und durch die Verdunstung an heißen Tagen die Standort-Temperatur senkt. Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen zum Heizen ergänzen die nachhaltige Bauweise“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.

Zusätzlich zur Gebäudeerweiterung wird auch mit der Umgestaltung des Innenhofs ein neues Zeitalter eingeläutet: das blaugrüne Leben! Während die zahlreichen Flüsse im Emscher-Gebiet renaturiert werden, soll der Innenhof des Wasserwirtschaftsverbandes ebenfalls eine blaugrüne Mitte bekommen. Wo heute noch auf der asphaltierten Fläche Autos parken, wird der Boden entsiegelt und bald durch ein Wasserbecken und grüner Bepflanzung zu einem neuen Ruheort entwickelt.

„Durch die aktuell stattfindende Erweiterung unserer Hauptverwaltung können zukünftig alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeit auf mehrere Standorte in Essen verteilt sind, unter einem Dach auch in einem attraktiven Arbeitsumfeld zusammenarbeiten“, sagt Dr. Frank Obenaus, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft. Unter einem Dach mit dem 1899 gegründeten Wasserwirtschaftsverband wird seit 1926 auch der Lippeverband verwaltet – gemeinsam bilden die beiden Körperschaften des öffentlichen Rechts als EGLV Deutschland größten Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. Entsprechend arbeiten an der Kronprinzenstraße auch Kolleginnen und Kollegen des Lippeverbandes, der im Ruhrgebiet unter anderem 59 Kläranlagen betreibt sowie große Gewässer wie die Lippe und die Seseke unterhält.

Die Anfänge des Emscher-Hauses
Nach der Gründung der Emschergenossenschaft 1899 in Bochum dauerte es ein ganzes Jahrzehnt, bis eine Hauptverwaltung für den ersten Wasserwirtschaftsverband Deutschlands errichtet wurde. Zuvor gab es an den einzelnen Baustellen entlang der Gewässer nur zahlreiche kleinere Büros, um das wasserwirtschaftliche Tagesgeschäft – und somit hauptsächlich die technische Regulierung der Emscher – voranzutreiben. Durch einen rasanten Anstieg an Mitarbeitenden in den ersten Jahren – 1905 hatte die Emschergenossenschaft bereits 90 Angestellte (heute sind es gemeinsam mit dem Lippeverband rund 1.700) – und dem zunehmenden Verwaltungsaufwand wurden die Rufe nach einer zentralen Hauptverwaltung laut.

Doch wo sollte diese stehen? Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasant wachsende Großstadt Essen profilierte sich bereits zur Zeit der Industrialisierung als „Schreibtisch des Ruhrgebietes“, baute neben imposanten Gebäuden wie dem alten Rathaus eine moderne Infrastruktur auf – und bot der Emschergenossenschaft ein Baugrundstück am Bernewäldchen im Südviertel an. Bis heute steht die Hauptverwaltung auf eben jenem Grundstück.

Der Architekt Wilhelm Kreis wurde seinerzeit mit der Planung des Emscher-Hauses betraut. Er richtete die Hauptfront des Gebäudes mit dem 37 Meter hohem Treppenturm zur Kronprinzenstraße aus und ließ die Verwaltung mit 63 bis 41 Meter langen Nebenfronten geradezu majestätisch erscheinen – ein großes Projekt wie die technische Emscher-Regulierung verdiene schließlich ein ebenso repräsentatives Gebäude. Architektonisch weist das Emscher-Haus mit vielen detailreichen Verzierungen an der Fassade Einflüsse aus dem wilhelminischen Neubarock auf. Die strengen und klaren Linien des Verwaltungsgebäudes deuten zeitgleich auf den künstlerischen Übergang des Architekten zum klassizistischen Monumentalstil hin.

Wiederaufbau, Anbauten und Modernisierungen
Wie viele Essener Gebäude wurde auch das Emscher-Haus im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört. Die Wiederherstellungsarbeiten dauerten bis 1954 an. Danach kam bereits 1959 ein neuer Anbau hinzu, gefolgt von Gebäude-Erweiterungen in den Jahren 1979 und 1993. Im Jahr 2006 wurde das Innere des unter Denkmalschutz stehenden Hauptgebäudes erneuert – die Decken und Wandflächen des monumental wirkenden Treppenhauses erstrahlen seither wieder in neuem Glanz.

Zuletzt fanden 2018 weitreichende Arbeiten am Emscher-Haus statt. Vor allem beim äußeren Erscheinungsbild des Hauses stand die Emschergenossenschaft dabei vor besonderen Herausforderungen. So wurde sorgfältig und stets in Absprache mit dem Denkmalschutz die in die Jahre gekommene Fassade wiederhergerichtet. Dabei war feines Fingergefühl gefragt, schließlich zieren zahlreiche dekorative Elemente die Mauern. Auf ihnen sind Motive zu den Themen Wasser und Gesundheit zu sehen, wie zum Beispiel Poseidons Dreizack oder ein ins Wasser springender Fisch. Die 2018 neu eingebauten Fenster bilden eine Kombination aus dem traditionellen Aussehen und modernem Nutzen: Denn zur Straßenseite wurden in den Altbau schallgedämmte Sprossenfenster eingebaut, die den von außen eindringendem Lärm vermindern und zeitgleich die Ausstrahlung des altehrwürdigen Gebäudes erhalten.

Klares Bekenntnis zum Standort Essen
Die aktuell erfolgende Erweiterung des historischen Baus ist nicht nur ein klares Bekenntnis zum Standort Essen, sondern auch Ausdruck eines auf Nachhaltigkeit und ökologisch-energetische Belange ausgerichteten Selbstverständnisses. Diagonal versetzt zum Haupteingang bildet der ergänzende Neubau auf der straßenabgewandten Südecke eine zusätzliche Eingangssituation. In der Rasterfassade der neuen Gebäudeteile markiert eine großzügige Glasfläche den Eingangsbereich und stellt eine Sichtverbindung zu dem angrenzenden Parkareal, dem Bernewäldchen, her. Die neue Fassadenebene sorgt durch ihre Tiefe für eine angenehme Beschattung der Innenräume. Als integrierendes Element passt sie sich in ihrer Rastergliederung dem historischen Emscher-Haus an.

125 Jahre Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Am 14. Dezember 1899 als erster deutscher Wasserwirtschaftsverband gegründet, ist die Emschergenossenschaft heute gemeinsam mit dem 1926 gegründeten Lippeverband Deutschlands größter Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Unternehmens sind die Abwasserentsorgung, der Hochwasserschutz sowie die Klimafolgenanpassung. Ihr bekanntestes Projekt ist der Emscher-Umbau (1992-2021), bei dem die Emschergenossenschaft im Herzen des Ruhrgebietes eine moderne Abwasserinfrastruktur baute. Dafür wurden 436 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen verlegt und vier Großkläranlagen gebaut. Rund 340 Kilometer an Gewässern werden insgesamt renaturiert. Parallel entstanden über 130 Kilometer an Rad- und Fußwegen, die das neue blaugrüne Leben an der Emscher und ihren Nebenläufen erleb- und erfahrbar machen. www.eglv.de