Klimawandel: Regenwasser-Projekte machen die Region widerstandsfähiger

Hochwasserschutz und Stadtplanung gemeinsam gedacht – EGLV stellen Kommunalpolitikerinnen und -politikern Beispiele für einen klimafesten Umbau der Region vor

Ruhrgebiet. Spätestens durch die Hochwasser-Ereignisse im Juli 2021 ist deutlich geworden: Der Klimawandel stellt Städte vor große Herausforderungen. Am Donnerstag haben Emschergenossenschaft und Lippeverband Vertreterinnen und Vertreter der Stadträte aus der Region zu einer Rundtour eingeladen. Stadtentwicklung, Hochwasser-Schutz und klimaresilienter Umbau können und müssen Hand in Hand gehen. Das zeigten die Wasserwirtschaftsverbände anhand von Beispielen in Oberhausen, Duisburg und Herne.

Klimadaten zeigen es, Klimaforscher sagen es voraus: Wetterextreme mit Starkregen-Ereignissen, Dürrephasen und Hitzesommern nehmen auch in unseren Breitengraden zu. Schon heute sind die Jahresdurchschnittstemperaturen in Nordrhein-Westfalen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen um 1,6 Grad gestiegen. Pro Jahr gibt es in Deutschland durchschnittlich zwölf Frosttage weniger als vor 100 Jahren und im Hochsommer heizen sich die Innenstädte um bis zu zehn Grad mehr auf als Bereiche am Stadtrand.

Zukunftsvisionen für eine klimaresiliente Stadt
Politik und Verwaltung stehen vor der Aufgabe die Städte an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen, die Wasserwirtschaftsverbände müssen den Hochwasserschutz gewährleisten. Wie sieht eine Stadtplanung mit Blick darauf aus? Wie müssen Flächen, Straßen, Schulhöfe, Spielplätze, Wohnquartiere oder Gewerbegebiete gestaltet werden, um einen positiven Beitrag für das Mikroklima zu leisten, klimarobust und Hochwasser-geschützt zu sein?

„Stadtplanung und Wasserwirtschaft müssen konsequent zusammen gedacht werden. Dazu dient auch das städtebauliche Prinzip der Schwammstadt, mit dem der natürliche Wasserkreislauf gestärkt, Regenwasser als Ressource genutzt und der Schutz vor Starkregenfolgen verbessert wird. Dabei stehen wir den Kommunen mit unserer Expertise zur Seite“, sagte Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von EGLV, im Haus Ripshorst in Oberhausen, Ausgangspunkt der Tour mit den Ratsvertreterinnen und Ratsvertretern. „Obwohl wir alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge einhalten und mit dem Schutzniveau deutlich darüber hinausgehen, reicht dies vor dem Hintergrund des Klimawandels nicht mehr aus.“

Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Wasserwirtschaftsverbände, führte aus: „Wir müssen auch innerstädtisch mehr Retentionsflächen schaffen, die im Starkregenfall dem Wasser mehr Raum lassen und dafür sorgen, das Niederschlagswasser von der Mischwasserkanalisation abzukoppeln. Das entlastet das System und schützt gleichzeitig vor Überflutungen.“

Wie zum Beispiel bei den Umbauten zur naturnahen Regenwasserbewirtschaftung an der Oberhausener Gesamtschule Weierheide am Standort Fichtestraße. Maßnahmen wie diese leisten einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz, zur Aufwertung städtischer Flächen und zum klimafesten Umbau des Ruhrgebiets. Emschergenossenschaft und Lippeverband werben dafür, Flächen zu entsiegeln, Platz für mehr Stadtgrün zu schaffen, Dächer und Fassaden zu begrünen und Regenwasser als Ressource zu nutzen, indem es vor Ort versickern kann (z.B. Anlegen von Versickerungsmulden) oder gespeichert wird (Rigolen-Bau). So kann es der Bewässerung dienen und über Verdunstung die Umgebung kühlen.

In der Zukunftsinitiative Klima.Werk setzt sich die Emschergenossenschaft zusammen mit den Städten schon länger für eine solche wasserbewusste Stadt- und Raumplanung ein. Weitere Ziele der Bustour waren denn auch Maßnahmen in Duisburg und Herne, die der Wasserwirtschaftsverband als Partner in dem Netzwerk mit den Kommunen umgesetzt hat.

Stark bei Starkregen: Gesamtschule Weierheide
Am Standort der Gesamtschule Weierheide an der Fichtestraße in Oberhausen werden die fünften und sechsten Klassen unterrichtet. Die Emscher Wassertechnik, ein Tochterunternehmen der Emschergenossenschaft, hat 2019 auf dem Schulhof Maßnahmen zum naturnahen Umgang mit Regenwasser mit Fördermitteln der EG umgesetzt. 5900 Quadratmeter Dach- und Schulhofflächen sind von der Mischwasserkanalisation abgekoppelt worden. Das bedeutet: Das Niederschlagswasser fließt nun nicht mehr von den versiegelten Schulhof-Flächen oder aus den Regen- und Dachrinnen in den Gully, sondern es kann in offenen Mulden auf dem Schulhof und in unterirdischen Rigolen (Speicherkästen) versickern. Die Anlagen haben so auch eine Rückhalte-Wirkung bei Starkregen, indem sie das Wasser aus dem Kanal raushalten. Ein oberirdischer Rückhalteraum für das Regenwasser wurde so gestaltet, dass gleichzeitig ein kleines Open-Air-Klassenzimmer entstanden ist, der Schulgarten wird mit Regenwasser bewässert.

Regenwasser raus aus dem Gully: Siedlung Elsässer Straße Duisburg
Im Zuge der Sanierung der Siedlung der Wohnungsgenossenschaft Duisburg-Hamborn eG an der Elsässer Straße sind auch Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung mit Fördermitteln der Emschergenossenschaft umgesetzt worden: Rund 2200 Quadratmeter befestigte Flächen (überwiegend Dachflächen) wurden von der Mischwasserkanalisation abgekoppelt. Sauberes Niederschlagswasser fließt nun nicht mehr über Dach- und Regenrinnen in Gullys und damit in die Kläranlage, sondern wird in offenen Mulden in den gemeinschaftlichen Rasenflächen im hinteren Teil der Gärten versickert. Die Zuleitung zu den Mulden erfolgt in befestigten Rinnen. Mieter profitieren von der Maßnahme durch die Einsparung der Niederschlagswassergebühren.

Gewerbegebiet Hibernia in Herne
Im Bereich des Gewerbegebietes Hibernia an der Holsterhauser Straße bzw. Lindenallee dient ein Grachtensystem der Regenwasserbewirtschaftung. Das Niederschlagswasser von Dach- oder Straßenflächen sowie anderen versiegelten Flächen wird nicht in die Mischwasserkanalisation eingeleitet, sondern in die Grachten. Von dort aus wird es dem Schmiedesbach zugeführt. Ein natürliches Gewässer, das früher auf dem Gelände seinen Quellbereich hatte und welches im Rahmen des Projekts komplett wieder an die Oberfläche zurückgeholt wurde.

Auch aus südlich angrenzenden Bereichen bis zur Flottmannhalle wird den Grachten auf dem Hiberniagelände in offenen Gräben Niederschlagswasser zugeführt, das vor der Umgestaltung in die Mischwasserkanalisation und dann zur Kläranlage geleitet wurde. Die offenen Wasserflächen tragen zur Verdunstungskühlung bei, werten das Areal stadtplanerisch auf und verbessern die Aufenthaltssituation. Das Projekt wurde durch die Stadtentwässerung Herne mit Fördermitteln des Landes NRW und der Emschergenossenschaft umgesetzt. 

Die Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz.

Die Zukunftsinitiative Klima.Werk
In der Zukunftsinitiative Klima.Werk arbeiten Emschergenossenschaft und Emscher-Kommunen zusammen an einer wasserbewussten Stadt- und Raumentwicklung, um die Folgen des Klimawandels abzumildern und die Lebensqualität in den Quartieren zu steigern. Der grün-blaue Umbau startete 2005 mit der Zukunftsvereinbarung Regenwasser (ZVR) und entwickelte sich 2014 zur Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ weiter, jetzt Klima.Werk. Unter dem Dach des Klima.Werks wird das Ruhrkonferenz-Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ des Landes Nordrhein-Westfalen umgesetzt, an dem sich seit 2020 alle Wasserverbände der Region beteiligen. Die Förderkulisse des Projekts umfasst das Gebiet des Regionalverbandes Ruhr (53 Städte und Gemeinden). In den klimafesten Wandel sollen bis 2030 rund 250 Millionen Euro investiert und in ausgewiesenen Gebieten 25 Prozent der befestigten Flächen abgekoppelt und die Verdunstungsrate um 10 Prozentpunkte gesteigert werden. Die Serviceorganisation der Zukunftsinitiative bei der Emschergenossenschaft setzt mit den Städten die Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung um. Weitere Informationen (auch zu Förderung von Projekten) auf www.klima-werk.de