Abwasserwärmenutzung (AWN) – Wärme und Kälte aus Abwasser

Klima- und umweltfreundliche Energiegewinnung zusammen mit EGLV

Die Nachfrage nach Energie ist ungedrosselt. Die fossilen Energieträger Öl, Kohle und Gas haben drei wesentliche Nachteile: Sie sind nicht unendlich verfügbar, ihre Verbrennung erzeugt klimaschädliche Emissionen mit erheblichen Folgeschäden und -kosten und sie werden immer teurer. Auf der Suche nach noch nicht ausgeschöpften regenerierbaren Energiequellen rückt zunehmend das Abwasser als Energieträger in den Fokus. Abwasser ist fast überall und dauerhaft verfügbar und hat selbst in den Wintermonaten relativ hohe Temperaturen. Emschergenossenschaft und Lippeverband sehen die Rückgewinnung der im Abwasser befindlichen Wärme als eine innovative und nachhaltige Form der Energiegewinnung.

Was ist Abwasserwärmenutzung?

Täglich produzieren wir Abwasser: Die warme Dusche, das abgegossene Nudelwasser oder die Toilettenspülung – das alles mischt sich zu einem Abwasser, das die Haushalte mit einer Durchschnittstemperatur von 25 Grad verlässt. Fließt das Abwasser durch die unterirdischen Kanäle, hat es durch die gute Isolierung des Erdreichs eine Durchschnittstemperatur von rund 15 Grad. Wird ein Wärmetauscher im Kanalrohr installiert, überträgt er die Wärme und macht diese in Kombination mit einer Wärmepumpe für den Heizkreislauf nutzbar. Somit kann mit Umweltwärme geheizt oder im umgekehrten Fall auch gekühlt werden.

Energie-Potenzialkarte

Kann ich für mein Objekt Abwasserwärmegewinnung realisieren? – diese Frage stellen sich viele Planerinnen, Planer und Bauleute. Wir helfen Ihnen bei der Beantwortung mit unserer Energie-Potenzialkarte. Mehr Informationen dazu unter „Welcher Standort ist geeignet?“

Für welche Abnehmer eignet sich Abwasserwärmenutzung?

Die Wirtschaftlichkeit von Anlagen wächst mit der Größe des Energiebedarfs. Deshalb ist die Abwasserwärmenutzung insbesondere für größere Abnehmer mit möglichst ganzjährig hohem Wärme- bzw. Kältebedarf wie z. B. Schwimmbäder, öffentliche Verwaltungen, Krankenhäuser, große Siedlungsgebiete und Gewerbestandorte geeignet. Ideal sind Heizzentralen mit einem minimalen Wärmebedarf von 150 kW, besser 300 kW, bzw. Wärmepumpen mit einer Leistung ab 100 kW. Die Entfernung des Objektes zum Abwasserkanal, genauer dem Einbauschacht, sollte möglichst gering sein, damit die Kosten der Leitungsführung nicht zu groß werden.

Die Energiegewinnung aus Abwasser kann sowohl modular in der Entwicklung von Quartieren und im Neubaubereich, als auch im Rahmen der energetischen Sanierung von Bestandsbauten eingesetzt werden. Ideal stellt sich die Situation bei einem Kanalneubau dar, da dort keine Wasserhaltung betrieben werden muss und auch bei der Planung ggf. auftretende Querschnittsbeeinträchtigungen durch den Wärmetauschereinbau bereits berücksichtigt werden können. Auch bei geplanten Sanierungsmaßnahmen fallen keine Extrakosten für die Wasserhaltung an.

Aufgrund der Dichte der Bebauung und der hohen Abwassermengen bietet das Emscher-Gebiet ein hohes Erschließungspotenzial dieser Wärmequelle. Auch die großen Sammler des Lippeverbandes bieten für die Abwasserwärmenutzung geeignete Voraussetzungen.

Ideale Bedingungen sind:

  • Entzugsleistung über 100 Kilowattstunden
  • Nähe des zu beheizenden Objektes zu einer Abwasserleitung
  • Bevorzugt Neubau oder Sanierung der Heizung auf Niedertemperatur
  • Bevorzugt Nutzung von Wärme- und Kühlleistung

Im Vergleich zur konventionellen Wärmebereitstellung liegen bei Abwasserwärmenutzungsanlagen die Investitionskosten höher, dafür sind die Energiepreise geringer. Die Gestehungskosten der AWNA liegen bei den meisten Objekten zwischen 0,07 €/kWh und 0,11 €/kWh (Stand 2020). Wird von einer Steigerung der Energiepreise ausgegangen, so ist die Abwasserwärmenutzung in den allermeisten Fällen gegenüber einer konventionellen Heizung nicht nur konkurrenzfähig, sondern sogar wirtschaftlicher.

Welche technischen Voraussetzungen sollten erfüllt sein?

  • Heizzentralen mit min. Wärme-/ Kältebedarf von 150kW (besser 300kW)
  • Misch- oder Schmutzwasserkanalisation > DN 800 mm
  • Trockenwetterabfluss > 15l/s
  • Keine hydraulische Beeinträchtigung des Kanalnetzes (möglicher Rückstau)
  • Abwassertemperatur am Zulauf zur Kläranlage > 10°C
  • Möglichst geringe Entfernung zwischen Kanalhaltung und Verbraucher

Wie hoch ist der Primärenergiefaktor von Energie aus Abwasser?

Abwasser hat einen Primärenergiefaktor von 0. Hinzu kommt der Primärenergiefaktor der Hilfsenergie für die Wärmepumpe. Hinter der Wärmepumpe liegt der Primärenergiefaktor der Abwasserwärme bei 0,4 bis 0,45. So lassen sich mit Energie aus Abwasser auch auf der Gebäudeseite alle KfW-Energieeffizienz-Standards erreichen. Energie aus Abwasser ist somit der oft primärenergetisch attraktiven Option Fernwärme mindestens ebenbürtig.

Welcher Standort ist geeignet?

Die große Herausforderung bei der Umsetzung von Anlagen besteht zunächst einmal in der Identifikation geeigneter Standorte für die Abwasserwärmegewinnung. Daher hat EGLV eine Energie-Potenzialkarte entwickelt, die die Ergebnisse einer Potenzialabschätzung und die Wärmeentzugsleistung einzelner Kanalabschnitte für das gesamte Kanalnetz von EGLV darstellt. Potentielle Nutzerinnen und Nutzer können so geeignete Standorte für sich identifizieren. Werden nur zehn Prozent dieser auf der Karte ausgewiesenen Wärmeentzugsleistungen erschlossen, könnte der Wärmebedarf einer Mittelstadt mit ca. 30.000 Einwohner*innen gedeckt werden.

Projektbeispiele

Nord-West-Bad Bochum

2009 haben EGLV in Kooperation mit der Stadtwerke Bochum GmbH ein Pilotprojekt für eine Abwasserwärmenutzungsanlage zur Versorgung des Nord-West-Bads in Bochum umgesetzt. Über einen 46 Meter langen Wärmetauscher, der auf der Sohle des Marbachkanals (DN 3000 mm) installiert wurde, wird dem Abwasser ein Teil seiner Wärme entzogen und diese mittels Wärmepumpentechnik zur Beheizung des Hallenbads genutzt. Gekoppelt ist die Anlage mit einem Blockheizkraftwerk. Nahezu 60 Prozent des Wärmebedarfs werden über die Kombination aus Abwasserwärmetauscher und Wärmepumpe bereitgestellt. Für Bestandsbauten ist dies ein sehr guter Wert. Den restlichen Wärmebedarf decken ein Blockheizkraftwerk und zwei Erdgaskessel. Energieeinsparungen von 73 Prozent sowie 40 Prozent CO2-Einsparungen sprechen eine deutliche Sprache.

Seniorenwohnsitz Westholz in Dortmund

Im Jahr 2018 wurde die Anlage zur Wärmeversorgung des Seniorenwohnsitzes Westholz in Dortmund in Betrieb genommen. Die Wärme wird hier aus dem Abwasserkanal Kirchderner Graben entzogen. Das Projekt wurde von der BETREM GmbH, einer Tochtergesellschaft der Emschergenossenschaft, gemeinsam mit der Städtischen Seniorenheime Dortmund GmbH umgesetzt. Das Haus deckt nun rund 70 Prozent seines Heizwärmebedarfes und rund 80 Prozent des Warmwasserbedarfes (63 Prozent CO2-Einsparung) aus Abwasserwärmenutzung.

Kontakt

Wie finden wir zueinander?

Emschergenossenschaft und Lippeverband stehen gerne als Ansprechperson für eine Ersteinschätzung zur Verfügung. Die konkrete Planung und die Umsetzung von Anlagen erfolgt im Anschluss durch unsere Tochterfirma BETREM. Gemeinsam mit der BETREM erfolgt die Klärung der fachlichen, wirtschaftlichen und behördlichen Fragestellungen.

Mit der BETREM besteht ein Rahmenvertrag zur Nutzung der Wärme aus den EGLV-Kanalhaltungen.

 

Ansprechpersonen